Einblicke
Die Genossenschaft ist der Blick nach vorn!
Als unser damaliges Leitungsteam vor etwa drei Jahren die Idee formulierte, dass aus der Neumüllers Langenbrinck GbR eine Genossenschaft wird, war ich ein wenig überrascht. Der Begriff „Genossenschaft“ war bis dahin irgendwo anders in meinem Kopf verankert und hatte einen nostalgischen Beiklang. Er erinnerte mich an meine Kindheit in Slowenien, genauer an die alljährlichen Wanderungen am 1. Mai auf die Stadthügel, die mein Großvater früher organisierte und bei denen ich fröhlich in den vorderen Reihen mitmarschierte. Ich erinnere mich: Auf das Wort „zadruga“ (slowenisch für Genossenschaft) waren wir durchaus stolz. Es heißt, dass die Menschen in Jugoslawien aus erster Hand erfahren konnten, dass kooperative Formen des Unternehmertums oder des Zusammenlebens zu einer besseren Welt führen, auch wenn der Staat damals nicht in der Lage war, all diese selbstverwalteten Milieus miteinander zu verbinden, und wegen Ineffizienz zusammenbrach. Heute beweisen es Praktiken in verschiedenen Branchen und überall auf der Welt: Genossenschaften beschäftigen mehr als 100 Millionen Arbeitnehmer:innen, bieten mehr als 20 Millionen Menschen ein Dach über dem Kopf, haben mehr als eine Milliarde Mitglieder und ebnen den Weg für mehr als eine Million erfolgreicher Unternehmen. Der gemeinsame Nenner ist sozialer Zusammenhalt, Demokratie, soziale Sicherheit, Selbsthilfe, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Werte, die zwar von der ganzen Welt hochgehalten werden, aber von Einzelnen in ihrer maßlosen Gier oft vergessen zu werden scheinen.
Gerade in unserem Spezialgebiet der integrierten Stadtentwicklung, wo Kooperation, Innovation und Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, bietet die Struktur der eG eine gute Grundlage für unsere Arbeit. Die Urbanizers eG ist mehr als nur eine Rechtsform. Es geht um gemeinsame Verantwortung und demokratische Entscheidungsfindung. Jede:r von uns bringt ihre oder seine eigene Perspektive ein, und genau diese Vielfalt macht unsere Projekte so besonders. In der Stadtentwicklung streben wir danach, lebenswerte Räume zu schaffen, und als Genossenschaft können wir sicherstellen, dass unsere Arbeit auf den Werten der Gemeinschaft und der Beteiligung basiert.
Die genossenschaftliche Form ermutigt uns auch in der Freiheit langfristig zu denken. In der Stadtentwicklung geht es um komplexe Prozesse, die Zeit brauchen, um Wirkung zu entfalten. Wir wollen keine kurzfristigen Gewinnziele verfolgen, sondern uns auf die Entwicklung nachhaltiger Strategien konzentrieren, die sowohl den Menschen als auch den Orten gerecht werden – Möglichkeitsräume, in denen wir alle Beteiligten einbeziehen und gemeinsam nach Lösungen suchen.
Marko Pahor, ein leitender Forscher an der Wirtschaftsfakultät in Ljubljana, schrieb in seinem Artikel Genossenschaften - Dinosaurier oder ein Modell für die Zukunft: „Genossenschaften bieten die Möglichkeit, neue Geschichten zu schreiben, insbesondere im Bereich der geistigen Dienstleistungen, wo der größte Teil des Mehrwerts durch Arbeit (!) und nicht durch Kapital geschaffen wird.“ In einer Welt, die so eifrig und unwiderruflich auf das Kapital schwört, sollten wir eher, öfter und tiefer über den Wert der Arbeit nachdenken.
Wenn ich heute das Wort „Genossenschaft“ höre, ist es an der ersten Stelle nicht mehr die Assoziation an eine nostalgische und etwas verschwommene Erinnerung an die Vergangenheit, sondern eine Aufforderung zum kollektiven Nachdenken und Handeln für die Zukunft, sowohl in Bezug auf die Probleme, die unseren Tätigkeitsbereich und unser Fachgebiet ausmachen als auch in Bezug auf die Art und Weise, wie wir uns organisieren und zusammenarbeiten. Die Genossenschaft ist unser Zukunftsmodell und wir sind stolz darauf.
– Tinka Legvart, 15.01.2025