Einblicke

Mehr Menschen beteiligen, aber wie?

Regelmäßig melden sich engagierte junge Menschen bei uns, weil sie mit uns gemeinsam Beteiligungsprozesse gestalten wollen. Uns freut das immer wieder aufs Neue, denn eine zukunftsfähige, gemeinwohlorientierte und demokratische Stadtentwicklung braucht Partizipation ebenso wie fachliche Expertise und vor allem Leidenschaft!

Das große Ziel von Beteiligungsverfahren besteht darin, möglichst allen Bevölkerungsgruppen Gehör zu verschaffen und die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse in den komplexen Aushandlungsprozess einzubeziehen, den letzlich jede Planung darstellt. Unsere Erfahrung mit Einwohnerversammlungen, Bürgerwerkstätten, Beteiligungsplattformen, Befragungen, mobilen Beteiligungsstationen, Begehungen, Formaten für Kinder und Jugendliche, Bürgerbeiräten, … – you name it, we’ve (probably) done it! – hat uns jedoch eines gelehrt: Der Anspruch, alle zu erreichen, wird oft nicht erfüllt. Häufig sind es logistische, räumliche und/oder sprachliche Barrieren, die vielen Menschen die Teilnahme erschweren. Diese Gruppen sind dann nicht oder nur in geringer Zahl vertreten und gelten schnell als „schwer erreichbar“. Dabei ist es viel wahrscheinlicher, dass ihnen nicht der passende Rahmen für eine gewinnbringende Beteiligung geboten wurde.

Was tun? Wie können wir Beteiligungsverfahren inklusiver gestalten? Wir bemühen uns, für jedes Projekt eine individuelle Antwort auf diese Frage zu finden. Wir suchen zusammen mit unseren Kund:innen und Projektpartner:innen barrierefreie Räume für unsere Veranstaltungen. Wir gestalten in Kooperation mit Stellvertreter:innengruppen spezifische Veranstaltungsformate, die auf die besonderen Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sind. Wir fangen mit speziellen Gesprächsführungsmethoden leise Stimmen ein und ermutigen auch jene zur Äußerung, die sich vor dem Mikrofon oder der großen Runde scheuen. Wir experimentieren mit digitalen Werkzeugen. Wir machen Weiterbildungen im niedrigschwelligen Schreiben. Wir haben eigene Expert:innen für Kinder- und für Jugendbeteiligung. Wir schaffen Transparenz, was mit den Ergebnissen der Beteiligungsprozesse passiert …

Aber auch wir lernen ständig dazu. Daher hat es mich sehr gefreut, dass ich das Thema im vergangenen Sommersemester als Lehrkraft im Namen von Urbanizers am Center for Metropolitan Studies der TU Berlin zusammen mit Dr. Dagmar Thorau und 13 interessierten Studierenden weiter vertiefen durfte. Gemeinsam sind wir auf die Suche nach Kommunikationswerkzeugen gegangen, die die Öffentlichkeitsbeteiligung inklusiver gestalten können. Als konkrete Zielgruppen wählten die Studierenden zwei Gruppen mit spezifischen Anforderungen an die Beteiligung aus: Kinder und Jugendliche sowie Menschen, für die die komplexe deutsche Fachsprache eine Barriere darstellt. Die Studierenden forschten zu den spezifischen Ansprüchen dieser Gruppen und ihrer Untergruppen, diskutierten Fallbeispiele und sprachen mit Fachleuten, etwa vom Kinder- und Jugendbüro Friedrichshain-Kreuzberg oder dem Berliner Frauenbeirat. Darauf aufbauend entwickelten sie zwei Kommunikationstools: ein Erklärbuch für Kinder im geistigen Alter von etwa acht Jahren, das der Vorbereitung auf Beteiligungsveranstaltungen dient und den Mehrwert sowie den Prozess solcher Verfahren erläutert; und Erklärkarten, die Planungsbegriffe in Einfacher Sprache definieren. Diese können sowohl zur Vorbereitung auf Beteiligungsveranstaltungen als auch als Arbeits- und Informationsmaterial vor Ort eingesetzt werden. Mehr zu den Produkten erfahrt ihr hier.

Unter den vielen Aha-Momenten, die wir in der Gruppe erlebten, blieb vor allem eine Erkenntnis für unsere Arbeit bei Urbanizers hängen: Auf die Sprache kommt es an! Ob unbewusst oder bewusst, wir Planende verwenden gerne Fachbegriffe. Für diejenigen, die diese Begriffe kennen, sorgt das für eine schnelle Verständigung. Doch es gibt viele, die Worte wie Flächennutzungspläne, Bauleitplanung oder Stadtplanung schlicht nicht verstehen. Warum sollten sie auch? Sie haben das Fach nicht studiert und sich möglicherweise nie damit befasst. Dennoch sollten sie Informationen, die ihr unmittelbares Lebensumfeld betreffen, erhalten und vor allem begreifen können. Ganz gleich, ob Leichte, Einfache oder schlichtweg verständliche Sprache verwendet wird – immer ist eine Übersetzungsleistung erforderlich, ebenso wie ein Fokus auf das für die Adressat:innen Wesentliche. Wenn wir wirklich ehrlich beteiligen wollen, müssen wir diese Prinzipien zu unserem Handwerkszeug machen und die Dinge bei ihrem offensichtlichen Namen nennen – auch wenn es dann vielleicht etwas weniger schlau klingt.

– Robert Hummel, 02.12.2024


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